Prof. Dr. Christian Theobalt

Der Informatiker erhält den Beckurts-Preis 2017 für seine richtungsweisenden Erkenntnisse und Entwicklungen, um menschliche Bewegungen, Posen, Gesten und Gesichtsausdrücke aus Videos effizient zu erfassen und in 3D-Modelle zu übertragen. Seine Methoden zeichnet aus, dass Markierungen an Kleidung oder Körper nicht mehr nötig sind, um Menschen in realen Umgebungen in Echtzeit zu erfassen, teils sogar mit nur einer Kamera. Die Methoden gestatten neue Anwendungen, u.a. in Virtual and Augmented Reality, bei Telepräsenz und bei Bewegungsanalyse in Sport und Medizin.

Presseinformation

Christian Theobalt mit dem Karl Heinz Beckurts-Preis 2017 ausgezeichnet
München, 14.12.2017

Einer der renommiertesten Preise Deutschlands für Grundlagenforschung mit hohem Praxisbezug geht an Professor Dr. Christian Theobalt. Der Informatiker erhält den Beckurts-Preis 2017 für seine richtungsweisenden Erkenntnisse und Entwicklungen, um menschliche Bewegungen, Posen, Gesten und Gesichtsausdrücke aus Videos effizient zu erfassen und in 3D-Modelle zu übertragen. Seine Methoden zeichnet aus, dass Markierungen an Kleidung oder Körper nicht mehr nötig sind, um Menschen in realen Umgebungen in Echtzeit zu erfassen, teils sogar mit nur einer Kamera. Die Methoden gestatten neue Anwendungen, u.a. in Virtual and Augmented Reality, bei Telepräsenz und bei Bewegungsanalyse in Sport und Medizin.

Christian Theobalt leitet die Forschungsgruppe Graphics, Vision & Video am Max-Planck-Institut für Informatik und lehrt an der Universität des Saarlandes. Mit seiner Arbeitsgruppe entwickelt er Bilderfassungs-Algorithmen, die ohne Markierungspunkte an den betrachteten Personen auskommen, um damit vor allem Personen in Bewegung zu erfassen. Mit dem Beckurts-Preis werden seine Forschungsarbeiten zu „Capturing Reality“ gewürdigt, bei denen er Algorithmen entwickelte, um Bewegungen dreidimensional und in Echtzeit zu vermessen und analysieren zu können. Dank seiner Arbeiten ist die Modellerfassung auch dann möglich, wenn sich mehrere Personen im Bild schnell bewegen und sich dabei sogar überdecken. Mittlerweile ist dazu keine Laborumgebung mit definierter Beleuchtung mehr nötig, sondern es können auch reale Umgebungen mit Streulicht, Schatten und weiteren Komplikationen erfasst werden. Die von ihm entwickelten Berechnungsmethoden gehören weltweit zu den fortschrittlichsten und effizientesten Verfahren. So reicht ein einziger gut ausgestatteter PC aus, um in Echtzeit die Mimik, aber auch Körper- und Handbewegung von einer Person sehr genau zu erfassen. Die von ihm entwickelten Verfahren sind zudem die ersten, die das Problem unter bestimmten Bedingungen mit nur einer Kamera lösen können. Für diesen Entwicklungssprung hat er algorithmische Konzepte aus der Computergrafik, Bilderkennung und dem maschinellen Lernen geschickt miteinander verknüpft.

Da Christian Theobalt für seine Berechnungen keinen Marker mehr am Körper benötigt, wie sie zum Beispiel die Filmindustrie häufig nutzt, vereinfacht sich die Bewegungsanalyse. Seine Ergebnisse legen die Grundlage neuer Wahrnehmungsfähigkeiten zukünftiger intelligenter und autonomer Computersysteme Und eröffnen dadurch neue Möglichkeiten der Interaktion mit virtueller und erweiterter Realität, sowie bei neuen hochrealen Telepräsenzsystemen. Bewegungsabläufe lassen sich verbessern und Therapieerfolge kontrollieren. Sportler können in ihrer natürlichen Umgebung auf dem Spielfeld, in Kontaktsportarten oder sogar unter Wasser ohne Instrumentierung analysiert werden. Es entstehen auch neue Möglichkeiten bei der Mensch-Maschine Interaktion: Intelligente autonome und Robotersysteme der Zukunft werden die Welt besser erfassen und verstehen, sich sicher in ihr bewegen und besser mit Menschen zusammenarbeiten können.

Christian Theobalt ist einer der Gründer von theCaptury GmbH, Saarbrücken, einem mehrfach ausgezeichneten Spin-off seiner Arbeitsgruppe. theCaptury vermarktet eine revolutionäre Methode zur markerlosen Bewegungsmessung, die auf seiner Grundlagenforschung aufbaut.

Der diesjährige Beckurts-Preis wird im Rahmen der Galaveranstaltung „Inventors of the Year 2017“ verliehen. Die Siemens AG hat dazu für den 14. Dezember nach München in ihre Zentrale geladen. Anke Kaysser-Pyzalla, Präsidentin der Universität Braunschweig und Vorstandsvorsitzende der Karl Heinz Beckurts-Stiftung, wird den mit 30.000 Euro dotierten Preis überreichen: „Die Erkenntnisse aus dieser Forschung werden die Digitalisierung und Automatisierung auf eine neue Stufe heben und beeinflussen, wie wir leben, arbeiten und kommunizieren“, erklärt sie dazu. „Die Gutachter waren sich einig, dass Christian Theobalt nicht nur herausragende Grundlagenforschung zu Bilderkennung und Computergraphik leistet, sondern seine Ergebnisse auch in kreative Innovationen übersetzt, für die es einen Markt gibt.“ Roland Busch, Chief Technology Officer und Mitglied des Vorstands von Siemens, sagt: „Prof. Theobalt ist ein würdiger Preisträger, der mit Forschergeist und Unternehmertum ganz in der Tradition von Karl-Heinz Beckurts handelt, der selbst immer ein starkes Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft war.“

Hintergrund

Christian Theobalt hat 2001 an der Universität des Saarlandes das Informatikstudium mit Diplom abgeschlossen und erhielt einen Master of Science in Artificial Intelligence von der University of Edinburgh. 2005 wurde er am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken und der Saar-Uni promoviert. Nach einem Aufenthalt als Gastprofessor in Stanford, 2007 – 2009, ist er seit 2009 Gruppenleiter am MPI-INF und seit 2010 Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit grundlegenden algorithmischen Fragen im Grenzgebiet von Computer Vision, Computergrafik, Mensch-Maschine Interaktion und Maschinellem Lernen. Insbesondere forscht er an: Algorithmen zur 3D Rekonstruktion statischer und dynamischer Szenen, virtueller und erweiterter Realität, markerlosen Motion Capture Verfahren, Computeranimationsmethoden, Methoden zum inversen Rendering (Schätzung von Material und Beleuchtungseigenschaften), maschinellen Lernverfahren zur Unterstützung der 3D/4D Rekonstruktion, neuen Kameras und Sensoren, Methoden der semantischen Videoverarbeitung, und Methoden des bildbasierten Renderings. Für seine Arbeiten wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft im Jahr 2007, dem EUROGRAPHICS Young Researcher Award im Jahr 2009, und dem Deutschen Mustererkennungspreis im Jahr 2012. Er erhielt zwei ERC Grants der Europäischen Union, einen ERC Starting Grant im Jahr 2013 und einen ERC Consolidator Grant im Jahr 2017. Das Magazin Capital wählte ihn im Jahr 2015 unter die „Top 40 Innovation Leaders under 40“ in Deutschland.

Die Karl Heinz Beckurts-Stiftung würdigt seit 1989 mit dem jährlich vergebenen Preis herausragende wissenschaftliche und technische Leistungen, von denen erkennbare und von den Preisträgern geförderte Impulse für Innovationen in Deutschland ausgehen. Die Karl Heinz Beckurts-Stiftung wurde 1987 von der Helmholtz-Gemeinschaft zur Erinnerung an den Forscher und Manager Prof. Dr. Karl Heinz Beckurts gegründet. Beckurts war von 1973 bis 1976 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (der Vorläufer-Organisation der Helmholtz-Gemeinschaft), seit 1976 Vorstandsvorsitzender der damaligen Kernforschungsanlage Jülich und ab 1980 Mitglied des Vorstands der Siemens AG. 1986 fielen Beckurts und sein Fahrer Eckhard Groppler einem Terroranschlag der RAF zum Opfer.

 

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